Vom Zwang der Freiwilligkeit

Posted by on 8. Juli 2010

„Fischer, treten Sie vor, sie sind Freiwilliger!“
Wer kennt diesen Satz nicht aus alten Bundeswehrzeiten und den Witzen die darüber gemacht wurden.
Klar, das ist auch ein Witz, denn es wiederspricht logischerweise jeder Freiwilligkeit und der Satz führt sich selber ad adsurdum.
Im übertragenen Sinne erleben wir aber derzeit genau das, was Blizzard uns gerade aufzutischen versucht, nämlich den Zwang zur Freiwilligkeit; das Einblenden der wirklichen Namen der Spieler in ihren Foren, wenn man denn dort posten will. Angefangen hat das ganze mit einer an sich nicht schlechten Idee, der ich vom Grundgedanken sogar einiges abgewinnen kann – der Einführung der RealID. Die RealID speichert den kompletten Vor und -Zunamen aller registrierten Spieler (oder sogar noch mehr?) und ermöglicht so ein Spieleübergreifendes Freundschaftssystem über die zentrale Schnittstelle, das BattleNet. So weit so gut, muss man nicht nutzen, obwohl es praktisch wäre. Ich hab auch prinzipiell kein Problem damit wenn andere meinen wirklichen Namen kennen und sehen können, doch bitteschön nur dann, wenn ICH es möchte. Ich habe auch einen Facebookaccount und bin bei Xing registriert. Da kann man auch meinen richtigen Namen lesen, jedoch nur solange ich es will, ich kann jederzeit meinen Namen, der nach außen sichtbar ist, ändern oder das ganze einfach nicht mehr nutzen. Klar, das funktioniert auch mit dem RealID System von Blizzard, ich muss es nicht nutzen. Jedoch passiert hier nun erstmalig, mit dem gezwungenen Veröffentlichen der wirklichen Namen, etwas ganz anderes: Will ich eine Funktion nutzen, in diesem Fall das Forum, kann ich nicht verhindern und SELBER entscheiden, das mein wirklicher Name dort erscheint. Ebenso mit dem Freundschaftssystem, auch dort habe ich keinerlei Eingriffsmöglichkeiten. World of Warcraft ist für mich immer noch ein Spiel, es soll mir ein Eintauchen in eine wahrhaft wunderbare Fantasywelt ermöglichen, mich vom Arbeitsalltag wegholen und mich nicht mehr Kai Fischer sein lassen, sondern Dorandir der Hexenmeister. Möchte ich hingegen Kai Fischer sein, so brauch ich mich nicht im Spiel einzuloggen und zu spielen, denn dort bin ich wer anderes und das soll auch so bleiben. Das soweit zu meiner persönlichen Abneigung gegen die RealID, eben der Zwang zur Freiwilligkeit.
Dann gibt es jedoch noch eine in meinen Augen nicht unerhebliche Gefahr. Das Spiel ist ab 12 Jahren freigegeben. Die Eltern eines Minderjährigen Kindes müssen also deren Account einrichten, da diese noch nicht geschäftstüchtig sind. Nun aber belassen vermutlich die meißten Eltern es hierbei und wissen vermutlich nichteinmal das es soetwas wie eine Elterliche Freigabe gibt (denn hier kann man explizit dem Kind die Nutzung der RealID verbieten). Was passiert nun wenn das Kind/Jugendliche ohne das Wissen der Eltern die Funktionen der RealID nutzt, bzw. im Forum munter drauflos postet? Richtig, der Name des jeweiligen Elternteils der den Account eingerichtet hat, taucht nun überall auf. Und so kann dann das Unglück seinen Lauf nehmen, wenn man denn mal vom schlechtesten Fall ausgehen mag. Ich möchte nicht wissen wieviele Eltern unwissend in diese Falle tappen werden.
Derzeit ist der Aufschrei in den Foren erheblich, alleine in den USA ist der Thread inzwischen auf über 20000 Protestantworten angewachsen und in Europa schaut es nicht anders aus. Ebenso haben sich mittlerweile viele Blogger hierzu zu Wort gemeldet. Bei Nomadenseele gibt es einen Sammelthread zu all diesen Artikel und auch die Originalankündigung von Blizzard. Auch haben mittlerweile viele Ihren Account bereits aufgrund dessen gekündigt. Nun, soweit wird es bei mir (vorerst) nicht kommen, doch auch ich habe bereits darüber (erstmalig) nachgedacht. Vorerst werde ich weiterspielen, all diese Features der RealID ignorieren und nicht nutzen (auch wenn die Grundidee dahinter nicht schlecht ist). Doch für mich besteht WoW nunmal nach wie vor nur als Spiel und nicht als soziales Netzwerk. Die kann ich auch woanders nutzen, wenn ich denn will. Sollte aber das Spiel sich nicht mehr hauptsächlich als Spiel entwickeln sondern sich mehr und mehr in ein soziales Netzwerk verwandeln, sogar noch in eines in dem man nicht freiwillig entscheiden kann, was von einem bekannt gegeben werden wird, dann ist auch für mich Schluss.
Ich hoffe Blizzard überdenkt hier in diesem Fall noch einmal ihre Politik und geht zu einer wirklichen Freiwilligkeit über, mit allen Einstellmöglichkeiten die es braucht um seine Privatsphäre zu schützen. Denn darum geht es mir, ICH möchte gerne SELBER Entscheiden, wer was wann von mir sehen darf und ich möchte dieser wichtigen Entscheidungen nicht beraubt werden.

Edit: Eine schöne und sehr gut passende Meinung dazu gibt es auch hier bei Ninjalooter.

9 Responses to Vom Zwang der Freiwilligkeit

  1. Cil

    Ich finde es ja bereits schade, dass die Sache mit dem serverübergreifenden Freundschaftssystem auf der Sichtbarkeit des RL-Namens beruht – was nicht mal schlimm wäre, wenn eben nur die ausgewählten Freunde ihn lesen könnten. Aber durch „Freunde von Freunde“ kann da ja sonstwer zusammen kommen.

    Und leider laufen in dieser Welt echt ZU viele Idioten rum. Und zudem: wie oft findet man jemanden zunächst nett – und dieser jemand entpuppt sich plötzlich als der letzte Psycho? Da bin ich immer sehr froh, dass ich grundsätzlich eine gewisse Anonymität wahre.

    Bei StasiVZ bin ich übrigens – jedoch unter einem Pseudonym, welches wiederum anders ist, als mein Privatblog-Pseudonym, etc.

    Ich allein will entscheide, wer wann in welchem Ausmaß mit mir „social networken“ darf. Das ist der Punkt.

    Das Verhalten, welches Blizzard derzeit an den Tag legt, strotzt nur so vor Ignoranz.

    Und ebenso wie Du, kam auch bei mir erstmals der Gedanke an eine Kündigung auf. Kommt jetzt wirklich drauf an, wie weit sie es noch treiben.

  2. Ró

    /signed

    (ach und bitte sei so nett und lösch den Kommentar unter Frau Federschwarz – that’s me, aber eben „privat“ 😉 )

  3. Zuljia

    Hallo Kai,
    ich muss dir vollkommen recht geben. Es ist wirklich erschreckend wie freizügig Blizzard mit unseren Daten umgeht und uns dabei noch nicht einmal die Entscheidungsfreiheit lässt ob unser richtiger Name angezeigt wird oder nicht.
    Mich hat die Umstellung auf battle.net damals nicht gestört, obwohl es viele Proteste gab, auch RealID war mir egal, da ich nicht gezwungen werde sie zu nutzen (und auch nicht nutzen werde), aber das jetzt mein vollständiger Name im Forum erscheinen soll, wenn ich einen Beitrag schreibe, das geht einfach zu weit. Ich habe früher gerne im Forum geschrieben: Tipps gegeben, Geschichten und Erlebnisse erzählt oder einfach nur Schwachsinn geschrieben, wenn die Server down waren. Ich achte penibel darauf, das mein richtiger Name im Internet nicht auftaucht und überprüfe das auch hin und wieder mal (was auch dazu führte, dass ich einen anderen Namen bei myspace angegeben habe, weil trotz versteckten Namens ich durch die Seite 123people.de gefunden wurde).
    Mein Name geht niemand Fremden etwas an. Ich laufe ja auch nicht durch die Stadt mit nem Zettel auf der Stirn wie ich heiße.
    Ich werde zwar nicht meinen Account kündigen, da sich diese Änderung nicht aufs Spiel auswirkt (erst wenn da der richtige Name angezeigt wird bin ich raus), aber ins Forum werde ich nichts mehr schreiben.

    Da auch die Amerikaner so auf die Barrikaden gehen dürfen wir gespannt sein ob das wirklich umgesetzt werden kann.

  4. LunaHexe

    Blizzard hat bereits entschieden daß sie „um jeden Preis“ an der Real-ID Scheiße festhalten werden.

    http://www.buffed.de/wow/news/15570/WoW-Blizzard-haelt-trotz-Kritik-an-Real-ID-im-Forum-fest/

    Also irgendeine Form der Reflexion findet nicht statt und Einsicht kann man erst gar nicht erwarten.

    Luna

  5. Aies

    Immerhin scheinen sich hier mal ausnahmsweise alle (naja fast) eine Meinung zu teilen, ob die ewigen Heulsusen oder casuale Spielgenießer…

    …und das um ein Feature, was im Grunde nichts mit dem Spiel WoW zu tun hat.

    Naja…

    Grüße Aies

    • Kai

      Also ich finde schon das es viel mit dem Spiel zu tun hat. Zwar nicht direkt mit der Welt von WoW direkt, aber doch mit dem Spiel an sich. Vieles was mit der Spielwelt passiert mag Geschmackssache sein, aber in diesem Fall ging Blizzard einfach einen Schritt zu weit.

      • Cil

        Die SAche ist einfach, dass

        a) imho das Forum sehr wohl zum Spiel gehört, zum Austausch mit anderen Spielern, insbesondere für die RPler, um Informationen ersuchen, Tipps, Tricks und generell einfach um zu wissen, was in WoW und drumherum gerade so läuft.

        b) – und viel wichtiger – heute ist es „nur“ das Forum, aber was kommt danach? Blizzard beweist deutlich, keinerlei Skrupel zu haben… :-/

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